Betroffene bringen Licht ins Dunkel

Auch wenn ich diese Homepage “Licht ins Dunkel bringen” genannt habe, so möchte ich doch zuallererst darauf hinweisen, dass es nahezu ausschließlich Betroffene und Überlebende sexualisierter Gewalt sind, die durch ihren unglaublichen Mut zunehmend Licht ins Dunkel bringen bzw. überhaupt erst die Möglichkeiten dafür schaffen, dass Aufklärung und Aufarbeitung stattfinden können. Ihnen fühle ich mich verpflichtet. Ihr Zeugnis ist für mich, trotz all der Abgründigkeit, die nun offenbar wird, vor allem ein ermutigendes und hoffnungsvolles Zeichen dafür, dass eine neue Zeit anbricht; in der das Verschweigen sexualisierter Gewalt immer weniger möglich ist. Das gilt für den kirchlichen, den gesellschaftlichen, aber auch für den privaten und familiären Bereich.

Bemerkenswerterweise bin ich in den ersten 12 Jahren in meiner Zeit als Pfarrer der Pfarrei St. Petrus davon ausgegangen, dass ich keine Betroffenen bzw. Überlebenden sexualisierter Gewalt durch Kleriker kenne. Innerhalb der letzten fünf Jahre haben sich mir mittlerweile mehrere Personen anvertraut, die Missbrauch durch Priester erlebt haben. Einige von ihnen kannte ich bereits einige Jahre. Mir sind mittlerweile allein auf dem Gebiet meiner Pfarrei acht Personen bekannt. Dies ist aber nur das Hellfeld, das sich für mich innerhalb der letzten fünf Jahre erschlossen hat. Wie mag erst das Dunkelfeld aussehen? 

Durch sehr viele Gespräche und Begleitung von Betroffenen, kenne ich mittlerweile nicht nur Einblicke in dunkelste Verbrechen, sondern erkenne auch immer tiefer die Kluft zwischen den öffentlichen Verlautbarungen und Versprechungen kirchlicher Amtsträger und ihrem konkreten Handeln.

 

„Wer das Schweigen bricht, der bricht die Macht der Täter“

Niemand darf Betroffene einfach drängen oder unter Druck setzen, von den Übergriffen, Gewalttaten und Verbrechen zu erzählen, die sie erleiden mussten. Wenn allerdings kirchliche Verantwortungsträger für ihr umfassendes Schweigen und Nicht-Handeln permanent den Schutz von Betroffenen vorgeben, dann ist die Grenze zur erneuten Übergriffigkeit überschritten.

 

Mit diesem Blog möchte ich:

  • dem Mut der Betroffenen und Überlebenden von sexualisierter Gewalt folgen und ebenfalls mein Schweigen als Amtsträger einer Täterorganisation brechen.
  • dazu beitragen, dass möglichst Vielen Gerechtigkeit widerfährt durch wirkliche Transparenz und Entschädigung und Anerkennung des Leides, die diesen Namen verdienen und Verantwortung innerkirchlich personal gedacht wird.
  • mich distanzieren von der Praxis kirchlicher Verantwortungsträger, die zu den vielen Vorwürfen schweigen, ihrer Rechenschaftspflicht nicht nachkommen und nicht bereit sind, glaubwürdige Zeichen der Reue oder Verantwortungsübernahme zu setzen bzw. weiterhin proaktive Aufarbeitung versprechen, aber keine ausreichenden und überzeugenden Taten folgen lassen.
  • das Thematisieren von sexualisierter Gewalt in den Alltag holen und in meinem Umfeld zum Gespräch und zur Auseinandersetzung ermutigen. Diese Sprachräume gehören nicht in die unangenehme Tabu Ecke, die uns runterzieht. Sie sollten vielmehr selbstverständlich werden als angenommene Herausforderung und Voraussetzung dafür sein, dass dieser schlimmen Geißel innerhalb der Kirche und der Gesellschaft endlich entschieden Einhalt geboten wird. Möglichst Viele sollten für den Kinderschutz neue Zeiten anbrechen lassen.
  • aus der Innenperspektive zum Verstehen beitragen, welche verschiedenen Faktoren, Abhängigkeiten, Sichtweisen und Strukturen zu diesem unglaublichen kirchlichen Versagen geführt haben und immer noch führen.
  • dazu beitragen, dass die unkontrollierten und gefährlichen klerikalen Machträume benannt und dekonstruiert werden. Sexualisierte Gewalt ist immer nur die Spitze des Eisberges von Machtmissbrauch.
  • für eine Sichtweise werben, die Aufklärung und Aufarbeitung nicht in einer Konkurenz zur sogenannten “Evangelisierung” sieht, sondern als deren Voraussetzung und erste Umsetzung.1 Siehe Johanna Beck, Synodaler Weg (ext. Link): „Gerne wird kritisiert, dass man sich lieber auf die Evangelisierung konzentrieren sollte. Ich bin da völlig Ihrer Meinung: Die Evangelisierung darf nicht zu kurz kommen. Ich meine das allerdings anders als der eine oder andere hier in dieser Runde. Sexualisierte Gewalt und geistlicher Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen stellt eine unfassbare Pervertierung des Evangeliums dar. Punkt.“
  • Zeugnis ablegen für die Hoffnung, die mich trägt und die nicht in dieser Welt begründet ist.